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Es gab bis zum Jahre 2001 eine Wanderausstellung in Deutschland mit dem Titel "Die heimlichen Herrscher", zuletzt zu sehen in Stuttgart. Die Ausstellung befasste sich mit Insekten. Der gewählte Titel traf die Sache genau auf den Punkt. Von ca. 1, 2 Millionen beschriebenen Tierarten sind alleine ca. 1 Million Insekten. Es gibt bis heute rund 350.00 beschriebene Käferarten. Laut einer Berechnung von dem britischen Entomologen C.B. Williams beläuft sich die Biomasse aller Ameisen etwa auf den gleichen Wert wie die aller Menschen. Wenn man sich nun vorstellt, dass eine Arbeiterin nur zwischen 1 und 5 mg wiegt, dann ist dies schon beeindruckend. Dazu ist zu erwähnen, dass es sich um eine sehr vorsichtige Berechnung handelt; die Biomasse aller Ameisen dürfte vermutlich sogar noch größer sein. Ameisen zählen zu den wenigen als eusozial (also etwa bedeutend "wirklich sozial") geltenden wirbellosen Tieren und sind ohnehin eine Tiergruppe, die einen mit offenem Mund staunend zurück lässt, wenn man sich nur etwas näher mit ihnen beschäftigt: So sind bei Blattschneiderameisenarten -zig verschiedene "Arbeitsfelder" oder "Jobs" bekannt, bei Ameisen gibt es beinahe regelrechte Kriege, Sklaven- und Haustierhaltung...... Auf einem Baum fand man schon über 40 verschiedene Ameisenarten; es gibt mehrere Pflanzen und Ameisenarten, die sich in Koevolution so aufeinander eingespielt haben, dass der eine ohne den anderen nicht mehr auskommt. Dies ist nur ein Minimalauszug aus dem Reich der Ameisen. Das obige Bild zeigt die Fingerkuppe von Sabine Adam und eine Arbeiterin der Ameisenart Formica polyctena, die abwehrbereit ihre Mandibel spreizt und ihren Hinterleib zum Verspritzen von Ameisensäure in Richtung des Angreifers gerichtet hat. Foto Timm Adam.

Die Riesenwasserwanze (Familie Belostomatidae) Abedus indentatus (HALDEMAN, 1854) beim Fressen eines ausgewachsenen Guppy-Weibchens. Auch Wirbeltiere bekommen manchmal zu spüren, dass Wirbellose nicht immer nur zum Fressen da sind. Lebende Wirbeltiere werden zwar selten Opfer von Insekten, Spinnentieren oder Tausendfüßern, aber es kommt doch vor. Parasiten sind natürlich ein anderes Thema, man denke nur an die ganzen Würmer, die in Wirbeltieren leben. Sie sind natürlich kein besonderen Symphatieträger  für uns Menschen unter den Wirbellosen. Foto Timm Adam.

Wirbellose Tiere besiedeln jeden nur erdenklichen Lebensraum und ertragen auch die widrigsten Umweltbedingungen: So hat man Bärtierchen (Tardigrada) bis zum absoluten Nullpunkt (- 273° Celsius) eingefroren indem man sie in flüssiges Helium steckte und sie lebten nach dem Auftauen weiter. Es gibt wurmförmige Tiere die im Meeresboden leben, wo es praktisch keinen Sauerstoff gibt. Sie waren die ersten, die den Luftraum eroberten (Ausgestorbene Libellen mit bis zu 75 cm Flügelspannweite), sie stellen das mehrzellige Tier, das es am längsten in absolut unveränderter Form seit 220 Millionen Jahren (KELBER 1999) auf unserem Planeten gibt (Triops cancriformis, der Sommerschildkrebs, besser bekannt als "Urzeitkrebs", "Dino-Krebs" oder ähnliches). Auch dies ist nur ein kleiner Teil dessen, was wir bereits über Wirbellose wissen, noch viel mehr gibt es mit Sicherheit zu entdecken.

Natürlich fällt es uns Menschen schwer, den Wirbellosen die entsprechende Würdigung teilwerden zu lassen, weil die überwiegende Zahl der Arten eben doch recht klein ist und ein für uns unsichtbares oder verstecktes Leben führt. Außerdem empfinden viele von uns beim Anblick von vielen Wirbellosen Ekel, Abscheu oder auch blanke Angst. Neben den vielen kleinen Tierchen gibt es aber auch ganz nebenbei die größten Tiere der Erde unter den Wirbellosen (dies ist allerdings eine Definitionsfrage). Und auch innerhalb der anderen Gruppen gibt es etwas eindrucksvollere Arten. Bei den Weichtieren findet man z.B. Riesentintenfische der Gattung Architheutis (Der größte bis jetzt gefundene Architheutis war 17,4 m lang) . Tiere dieser Gattung werden immer wieder einmal an Land gespült oder in Mägen von Pottwalen gefunden. Wie bei allen Tieren, die fast immer nur verstorben gefunden werden und kein Innenskelett besitzen, ist es nahezu unmöglich, genau zu ermitteln wie groß sie zu Lebzeiten waren. Zieht man die Mantellänge als Maß heran, könnten auch Kalmare aus anderen Gattungen und Familien die größten Tintenfische der Erde sein: Mesonychoteuthis hamiltoni ROBSON, 1925 etwa von dem bereits Tiere gefunden wurden, welche z.B. ein Auge von 27 cm Durchmesser hatten! Ebenfalls bei den Weichtieren gibt es im Meer die wunderschönen Riesenmuscheln (Tridacna gigas LINNAEUS, 1758 mit 135 cm Schalenlänge und 500 kg Gewicht). Weiterhin leben sehr große gehäusetragende Schnecken (Syrinx aruanus (LINNAEUS, 1758), bis zu 91 cm Gehäuselänge und 18 kg Gewicht) und farbenprächtige Nacktchnecken (Aplysia californica J.G. COOPER, 1863) bis zu einem Meter lang) im Meer. Die größten landlebenden Weichtiere sind Achatschnecken. Die größte Art Achatina achatina (LINNAEUS, 1758) kommt in Westafrika vor und erreicht eine Gehäusehöhe von bis über 20 cm. Ihr Fuß (also im Prinzip der nicht im Gehäuse befindliche Körperteil) kann bis zu 30 cm lang sein. Unterarten von Archachatina marginata stehen ihr aber nach dem, was ich bisher gesehen habe, kaum an Größe nach. An Tieren mit Kieferklauen (Chelicerata) leben im Meer Schwertschänze (oft auch als "Pfeilschwanzkrebse" bezeichnet, es handelt sich jedoch um Verwandschaft von den Spinnentieren) mit einer Körperlänge von bis zu 75 cm (Limulus polyphemus LINNAEUS, 1758). Die größten Spinnen sind Vogelspinnen. Theraphosa blondi (LATREILLE, 1804) aus Südamerika kann eine Beinspannweite von bis zu 28 cm (bei Männchen) erreichen und ein Gewicht von 170 g (bei Weibchen). Bezüglich der Beinspannweite ziehen die Riesenkrabbenspinnen Heteropoda maxima JÄGER, 2001 von Laos offenbar mit den größten Vogelspinnen gleich. Die größten Skorpione sind Tiere der Gattung Pandinus aus Westafrika und Heterometrus swammerdami SIMON, 1872 aus Indien (Guiness-Buch der Rekorde-Eintrag: 29,2 cm Körperlänge). Besonders eindrucksvolle Kandidaten gibt es unter den Krebstieren: Ein gefangener Amerikanischer Hummer (Homarus americanus H. MILNE-EDWARDS, 1837) war 1,06 m lang! Auch der Europäische Hummer (Homarus gammarus LINNAEUS, 1758) ist ein wunderschönes, sehr groß werdendes Tier (zu sehen z.B. in der Wilhelma in Stuttgart). Macrocheira kaempferi  TEMMINCK, 1836 (auf dem folgenden Foto als Präparat zu sehen)

ist eine Krabbe mit sehr langen Beinen, die eine Spannweite von bis zu 3,7 m erreicht. Die Riesenkrabbe aus Tasmanien Pseudocarcinus gigas LAMARCK, 1818 hat einen Carapax (der Panzer auf der Oberseite des Körpers) von bis zu 50 cm Breite. Die Alaska-Königskrabbe Paralithodes camtschaticus (TILESIUS, 1815) kann eine Spannweite von bis zu 2 m und ein Gewicht von 15 kg erreichen. Einer meiner persönlichen Favoriten unter den Krebstieren und auch eines meiner Lieblingstiere unter allen ist eine Asselart, die im Meer lebt und offenbar über 75 cm lang wird: Bathynomus giganteus A. MILNE-EDWARDS, 1879. Präparate von Tieren dieser Gattung können über www.schulvivarium.de bezogen werden (Exemplare die immerhin zwischen 12 und 20 cm lang sind). Das größte an Land lebende Krebstier ist der Palmendieb Birgus latro LINNAEUS, 1767 (Foto auf der Startseite dieser Homepage). Er erreicht eine Beinspannweite von 1,5 m und ein Gewicht von bis mehreren Kilogramm. Neben diesen absoluten Riesen mit Außenskelett existieren auch in verschiedenen Insektenordnungen Tiere, die beeindruckende Ausmaße hervorbringen: Das längste Insekt ist Phobaeticus chani BRAGG, 2008 mit einer Gesamtlänge von bis zu 56,7 cm. Das schwerste Insekt ist der Goliathkäfer Goliathus goliathus mit bis zu 100 g. Allerdings ist diese Gewichtsangabe nicht richtig bestätigt. Sicher ist jedoch, dass Goliathus und andere große Käfer wie Megasoma-Arten 11-13 cm lang und bis knapp 50 Gramm schwer werden. Der größte Käfer ist  Titanus giganteus mit Körperlängen von ca. 17 cm. Der größte Schmetterling ist der asiatische Nachtfalter Attacus atlas (LINNÉ, 1758) bezogen auf die Flügelfläche; außerdem erreicht Attacus atlas eine Flügelspannweite von bis zu 25 cm (an anderen Stellen wird Coscinocera hercules (MISKIN, 1876) aus Australien mit einer genau so großen Flügelfläche und einer Flügelspannweite von bis zu 30 cm angegeben); Thysania agrippina (CRAMER, 1776) aus Südamerika, ebenfalls ein Nachtfalter, erreicht eine Flügelspannweite von bis zu knapp 30 cm. Der größte Tagfalter ist Ornithoptera alexandrae (PARSONS, 1984) aus Papua Neu-Guinea, bei dem die Weibchen bis 25 cm Flügelspannweite haben können. In Südamerika gibt es Libellen Megaloprepus caerulatus, die eine Körperlänge von 15 cm und eine Flügelspannweite von bis zu 20 cm erreichen. Die in Mittel- bis Südamerika verbreitete Kurzfühlerschrecke Tropidacris cristata erreicht eine Körperlänge von 13 cm und eine Flügelspannweite von 25 cm. "Wetapunga" ist der Name der einheimischen Maori für die größte Langfühlerschrecke Deinacrida heteracantha
WHITE, 1842 auf zu Neuseeland gehörenden Inseln: Sie wird bis zu 9 cm lang (ohne Legestachel) und bis zu 71 g schwer. Unter den Schaben gibt es in Südamerika Arten (Megaloblatta blaberoides, M. longipennis), die eine Körperlänge von über 10 cm und eine Flügelspannweite von 17 cm erreichen. Die massigsten ungeflügelten Schaben kommen aus Australien: Macropanesthia rhinoceros wird 35 g schwer, 8 cm lang und 5 cm breit. Alle diese Schaben haben nichts mit den von uns Menschen so gefürchteten Plagegeistern außer ihrer Zugehörigkeit zur gleichen Insektenordnung gemein: Die großen Arten leben in bewaldeten Gebieten, übertragen keine Krankheiten und sind in unseren Behausungen "frei" nicht überlebensfähig.  Etwas näher verwandt als mit dem Rest der Insekten sind die Gottesanbeterinnen mit den Schaben. Auch unter ihnen gibt es neben wunderschönen bizarren Arten auch Tiere, die durch schiere Größe beeindrucken: Archimantis-, Macromantis-, Plistospilota-, Rhombodera- und Hierodula-Arten werden schon einmal über 10 cm lang und haben auch insgesamt eine massige Erscheinung.

Der massigste Tausendfüßer ist Archispirostreptus gigas (PETERS, 1855) aus Ostafrika; diese werden mehr als daumendick und über 30 cm lang (Auf dem Foto ein Weibchen dieser Art, welches je nach Ernährungszustand locker dieses Maß überschritt. Foto Timm Adam.). Der größte Hundertfüßer ist Scolopendra gigantea LINNÉ, 1758 aus Südamerika mit knapp 27 cm Länge. 

Natürlich soll und darf man nicht vergessen, dass die grossen Vertreter zwar für uns Menschen offensichtlicher und damit in unserem Geiste eher "vorhanden" sind, aber die wahre Unglaublichkeit spielt sich im Mikrokosmos ab. Wirbellose Tiere leisten, oft in Zusammenarbeit mit einzelligen Organismen die Arbeit von Destruenten in unglaublichem Maße, d.h. sie spalten tierisches und pflanzliches Material in immer kleinere Einheiten bis zur Molekularebene auf. Dabei werden in jeder Sekunde Stoffmengen umgesetzt, die unsere Vorstellungskraft hoffnungslos überfordern. Sie bestäuben Pflanzen oder verbreiten ihre Samen, sie leben in Symbiosen mit anderen Tieren oder mit Pflanzen und sorgen so für deren Fortbestand. Zusammengefasst kann man, ohne den Hauch einer Übertreibung, behaupten: Die Wirbellosen sind unersetz- und unverzichtbar.

Zusammengenommen sollten diese Fakten ausreichen, um zu verdeutlichen, wer hier das Kommando hat. Wenn die Menschheit oder auch alle Säugetiere von diesem Planeten verschwinden würden, würde die restliche vorhandene Natur fast unverändert weiter bestehen. Würden jedoch die Wirbellosen oder auch nur eine größere Gruppe innerhalb der Wirbellosen verschwinden, wäre es mit einem Schlag aus.




Das Foto rechts zeigt ein präpariertes weibliches Tier einer riesigen Langfühlerschreckenart, nämlich Saga ephippigera ephippigera FISCHER VON WALDHEIM, 1846. Diese tollen Insekten ernähren sich räuberisch von anderen Insekten und erreichen ähnliche Ausmaße wie ihre berühmteren Verwandten, die Wetas aus Neuseeland.


Letzte Aktualisierung am 08.September 2013